Autor: Health AG
Was haben der Spielzeughersteller Lego, der Süßwarenkonzern Haribo und die Elektroautoschmiede Tesla gemeinsam? Sie alle setzen auf „Open Innovation“ – ein Konzept, bei dem Unternehmen ihre Innovationsprozesse für Externe öffnen und im Austausch mit den Kunden vorantreiben. Damit steht die Methode in krassem Kontrast zur herkömmlichen Entwicklung neuer Produkte, die hinter verschlossenen Türen stattfindet, damit die Konkurrenz davon nach Möglichkeit nichts erfährt.
Spätestens seit dem Durchbruch sozialer Netzwerke wie Facebook wollen alle überall mitreden. Das nutzen Unternehmen, um sich vor der Markteinführung von Neuentwicklungen mit ihren Kunden auszutauschen. Besonders Firmen, die mit ihren Produkten eine jüngere Zielgruppe erreichen wollen, greifen auf die interaktiven Kommunikationsformen zurück. Schließlich entscheidet sich häufig im Netz, ob eine Neuheit ein Bestseller oder ein Ladenhüter wird.
Auf der anderen Seite geben sich die Verbraucher nicht allein damit zufrieden, Kritik oder Lob in den Netzwerken loszuwerden. Sie wollen mitgestalten. Bereits heute stammt ein großer Teil der Innovationen von den Nutzern, zeigt eine Studie des Ökonomen Eric von Hippel vom Massachusetts Insititute of Technology (MIT) aus dem vergangenen Jahr.
Das Geheimnis der blauen Gummibärchen
Beispiel Lego: Vor zwei Jahren hat der Hobbytüftler Jake Sadovich ein Segelschiff in einer Flasche aus Legosteinen entworfen und ein Bild davon auf der Online-Plattform Lego Ideas gepostet. 10.000 User gaben ihr „Like“, Experten von Lego prüften die Idee und heute steht die Flaschenpost in den Regalen. Auch ein Lego-Modell der Internationalen Raumstation ISS und ein knallroter Fiat 500 F könnten bald in die Geschäfte kommen. Der Süßwarenhersteller Haribo machte den Naschkatzen-Traum von blauen Gummibärchen mit Heidelbeergeschmack wahr und verkaufte sie als „Fan-Edition“.
Das Einbinden der Kunden funktioniert nicht nur bei vermeintlich einfachen Produkten wie Spielzeug oder Süßigkeiten. 2014 hat der Elektroauto-Pionier Tesla all seine Patente offengelegt – in der Hoffnung, dass etablierte Autohersteller den E-Antrieb weiterentwickeln und so alle davon profitieren.
Weiteres Beispiel: Zusammen mit Hunderten Zahnärzten und Praxismitarbeitern entwickelt die Hamburger Health AG Software für die Steuerung und Kontrolle von organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Prozessen in einer Praxis. „Produkte, die am Kunden vorbei konzipiert werden, gibt es in der Dentalbranche genug“, sagt Health-AG-Vorstand Jens Törper. Deswegen forderte das Unternehmen seine Kunden vor zwei Jahren erstmals zur aktiven Kooperation bei der Produktentwicklung auf. Heute kann die Health AG auf das Wissen und die Erfahrung von 600 „Co- Evolutions-Partnern“ zugreifen. Der Austausch findet regelmäßig statt – das nächste Mal auf dem Co- Evolution Summit 2018 der Health AG im Rahmen der solutions.hamburg.
Ungenutztes Potenzial
Doch solche Fälle scheinen zumindest in Deutschland eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Insgesamt werden User als Innovationsquelle nicht richtig wahrgenommen. Das hat eine Befragung von 1.800 Führungskräften aus Unternehmen, Politik und Wissenschaft durch die Technische Universität Hamburg und die Wirtschaftsuniversität Wien im vergangenen Jahr ergeben. Demnach wird die Bedeutung der Nutzer für neue Produkte nicht einmal zur Hälfte erkannt.
Wenn es um disruptive Innovationen geht, unterschätzen Unternehmen also tendenziell die Nutzer ihrer Produkte. Warum ist das so? Dafür haben die Forscher zwei Erklärungen: Erstens fehlt es ihnen an nötigem Wissen über Innovationsforschung. Für sie sind immer noch die Hersteller die zentralen Innovationstreiber. Und zweitens geben selbst die Unternehmen, die User-Innovationen nutzen, oft nicht an, dass ihre Neuheiten von den Nutzern kommen. Häufig werden Innovationen von außen sogar als Bedrohung empfunden, so die Forscher. Die Folge: Das große Potenzial der User-Innovation bleibt ungenutzt.